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Einzelinitiative
betreffend «Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für
alle
im Sinne der Gleichberechtigung von Frau und Mann
durch die Einreichung einer Standesinitiative des Kantons Zürich» |
Diese Einzelinitiative wurde am 5.
April 2016 durch den Betreiber der Internetplattform Gleichberechtigung.ch beim Zürcher Kantonsrat eingereicht. Am
29. August 2016 wurde die Initiative den Mitgliedern des
Kantonsrates vorgelegt. Für deren vorläufige Unterstützung
stimmte einzig SVP-Kantonsrat Hans-Peter Amrein. 60 Stimmen
wären nötig gewesen.
Erst im Juli 2016 hat der Bundesrat einen allseits mit Spannung
erwarteten Bericht einer «Studiengruppe» des Verteidigungsdepartements
veröffentlicht, welche Empfehlungen auch bezüglich der
Dienstpflicht für Frauen abgibt. Sollte sich der Bundesrat tatsächlich an die Vorschläge im Bericht halten,
kämen wir bei der Verwirklichung der tatsächlichen
Gleichberechtigung einen grossen Schritt voran. Die Fachleute sprechen sich nämlich dafür aus, dass die Schweiz bei der Rekrutierung von
Armeeangehörigen das Modell Norwegens übernimmt. Das würde bedeuten, dass künftig auch die Frauen Dienst leisten müssten – sofern bei Armee oder Zivilschutz entsprechender Bedarf herrscht. Dasselbe würde auch für Männer gelten: Wenn es die Einsatzorganisationen verlangen, muss der Dienstpflichtige einrücken. Brauchen diese hingegen keine weitere Verstärkung, wird die Wehrpflichtersatzabgabe fällig.
(►
Jetzt
wird die Wehrpflicht für Frauen geprüft, Tages-Anzeiger vom 7.
Juli 2016)
Die in dieser Einzelinitiative vorgeschlagene Einreichung einer
Standesinitiative durch den Kanton Zürich könnte tatsächlich
überflüssig werden, wenn der Bundesrat jetzt von sich aus im Sinne
der eingesetzten «Studiengruppe» aktiv wird und dem Parlament
einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet.
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Wortlaut
der Einzelinitiative:
Antrag:
Der Kanton Zürich schlägt mit einer Standesinitiative vor, dass
eine Kommission einen Entwurf für einen Erlass der
Bundesversammlung ausarbeitet, wonach Frauen und Männer in Bezug
auf die Militärdienstpflicht gemäss Artikel 59 der
Bundesverfassung und die Schutzdienstpflicht gemäss Artikel 61 der
Bundesverfassung gleichberechtigt werden und die Bundesverfassung
dahingehend revidiert wird.
In Form einer allgemeinen Dienstpflicht für alle soll die
Gleichberechtigung von Frau und Mann umgesetzt werden. Die
allgemeine Dienstpflicht soll so ausgestaltet werden, dass
einerseits der Fortbestand der Schweizer Armee nach dem Milizprinzip
gesichert bleibt und andererseits für die Dienstpflichtigen auch
Alternativen bestehen durch das Angebot sinnvoller ziviler
Ersatzdienste unter Einbezug des Zivilschutzes. Die Ausgestaltung
hat auf jeden Fall konform mit der Europäischen
Menschenrechtskonvention zu erfolgen. Unter welchen Voraussetzungen
und in welchem Rahmen in der Schweiz niedergelassene Personen ohne
Schweizer Bürgerrecht allenfalls in die allgemeine Dienstpflicht
miteinbezogen werden können, soll bei der Ausarbeitung des
Entwurfes geprüft werden. Die allgemeine Dienstpflicht soll auch zum Zusammenhalt unserer
Gesellschaft beitragen.
Begründung:
Der Kanton Zürich gilt als fortschrittlicher Kanton. So steht es
ihm auch gut an, bei der längst überfälligen
Geschlechtergleichberechtigung in Bezug auf die bisher nur für Männer
geltende Militär- und Zivilschutzdienstpflicht eine Vorreiterrolle
zu spielen und durch die Einreichung einer Standesinitiative den
Stein dafür ins Rollen zu bringen. Dass die Zeit nun reif ist war
unlängst im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen bei einer Befragung
von Kandidierenden aus den unterschiedlichen politischen Lagern
erkennbar. Die Befragung wurde von der Plattform
Gleichberechtigung.ch durchgeführt, 352 Personen haben daran
teilgenommen. Dabei sprachen sich 75% der Teilnehmenden dafür aus,
dass für Frauen und Männer grundsätzlich dieselben Rechte und
Pflichten gelten sollen. 62% sprachen sich für die Einführung
einer allgemeinen Dienstpflicht für alle aus.
Der Bundesrat hat bereits 1986 in seinem Bericht über das
Rechtsetzungsprogramm «Gleiche Rechte für Mann und Frau»
festgehalten, dass die nur für Männer geltende Militärdienstpflicht
in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Idee des
Gleichheitsartikels der Bundesverfassung steht, die eine gleiche
Verteilung von Rechten und Pflichten auf Männer und Frauen nahelegt.
Freiwillig Dienst leistende Soldatinnen beweisen denn auch, dass
Frauen nicht qua natura ungeeignet für die Armee sind.
Vor Inkrafttreten des neuen Eherechts im Jahr 1988 gab es generell
von Gesetzes wegen unterschiedliche Rollenzuweisungen für Frauen
und Männer mit je nach Rolle eigenen Rechten und Pflichten. Jede
Frau und jeder Mann war dieser Rollenzuweisung rücksichtslos
ausgeliefert.
Die Begrenzung der Militärdienstpflicht auf Männer beruht auf dem
althergebrachten Rollenbild des starken Mannes und der Frau, die
sich um Haushalt und Kinder kümmert. Vor diesem Hintergrund ist die
Begrenzung der Militärdienstpflicht auf Männer nicht nur eine
Diskriminierung der Männer, sondern auch Ausdruck einer
strukturellen Frauendiskriminierung.
Ziel der Gleichberechtigung war und ist es, diese früher vom Gesetz
her vorgeschriebene Rollenfixierung aufzuheben. Jede und jeder soll
die passende Rolle frei wählen dürfen, in der Ehe zum Beispiel
durch ein partnerschaftliches Zusammenwirken. Nur durch gleiches
Recht für Frauen und Männer wird dies überhaupt möglich. Gegen
die Einnahme früherer Rollenmuster ist auch heutzutage nichts
einzuwenden, sofern diese freiwillig erfolgt.
In Bezug auf die Militär- und Zivilschutzdienstpflicht blieb die
Rollenfixierung durch die Gesetzgebung bis heute aufrechterhalten.
Das Leitbild des partnerschaftlichen Zusammenwirkens wäre indes
auch hier wünschenswert. Oder wie sollte die Auferlegung des
relativ langen zivilen Ersatzdienstes für Männer, welche nicht in
ihre Rollenfixierung passen, gegenüber der uneingeschränkten
Wahlfreiheit für Frauen gerechtfertigt werden?
Und ist es gerecht, dass Männer, welche weder Militär- noch
Ersatzdienst leisten (Dienstuntaugliche oder RS-Verschieber aus persönlichen
Gründen), in der Regel deshalb eine einkommensabhängige Abgabe
schulden, Frauen dagegen nicht?
In Bereichen, in denen die Frau heute noch privilegiert ist, soll
die Gleichstellung möglichst durch eine Verbesserung der
Rechtsposition des Mannes und nicht durch die Aufhebung von
Vorteilen der Frauen verwirklicht werden. Bezüglich der Militärdienstpflicht
haben sich allerdings bei einer Volksabstimmung im Jahr 2013 73% der
abstimmenden Frauen und Männer gegen deren Abschaffung
ausgesprochen.
Nach diesem klaren Volksvotum für die Militärdienstpflicht kann
die Gleichberechtigung in diesem Bereich also nur durch die
Ausdehnung dieser Pflicht auf die Frauen erreicht werden.
Die nur für Männer geltende Zivilschutzdienstpflicht könnte
allenfalls abgeschafft werden, so dass die Männer den
Zivilschutzdienst ebenso wie die Frauen freiwillig leisten können
und die Gleichberechtigung hier auf diese Weise hergestellt wird.
Eine allgemeine Dienstpflicht für alle im Sinne der Erfüllung von
gewissen Bürgerpflichten für die Allgemeinheit klingt für viele
sympathischer und akzeptabler als eine Militärdienstpflicht.
Es ist allerdings zu beachten, dass es sich bei so einer
Dienstpflicht nicht um eine Zwangs- oder Pflichtarbeit handeln kann,
denn dazu darf niemand gezwungen werden.
Nicht als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne der Europäischen
Menschenrechtskonvention gilt eine Dienstleistung militärischer Art
(Militärdienst) oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im
Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt (ziviler
Ersatzdienst), daneben auch eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu
den üblichen Bürgerpflichten gehört. Der Rahmen ist hier also
sehr eng gesteckt.
Im Prinzip basiert die allgemeine Dienstpflicht für alle somit auch
auf der Militärdienstpflicht und davon ausgehend auf der Pflicht
zur Erfüllung eines zivilen Ersatzdienstes, wenn jemand nicht dazu
bereit ist, Militärdienst zu leisten.
Dass die Militärdienstpflicht nicht einfach als Vorwand für die
allgemeine Dienstpflicht hinhalten soll, ergibt sich daraus, dass
sich wie schon erwähnt bei einer Volksabstimmung im Jahr 2013 tatsächlich
73 Prozent der abstimmenden Frauen und Männer zur Militärdienstpflicht
bekannt haben.
Der zivile Ersatzdienst im Rahmen der allgemeinen Dienstpflicht darf
aber nur so stark in die persönliche Freiheit jedes einzelnen
eingreifen, als dies gerade noch erforderlich ist, für dass auf der
anderen Seite genügend Personen bereit sind, Militärdienst zu
leisten. Diese Balance muss stimmen.
Weil die allgemeine Dienstpflicht auch die Frauen betrifft, wird die
Auswahl der für den Militärdienst geeigneten Personen grösser,
was beim Militär zu einer Qualitätssteigerung führen kann. Der
zivile Ersatzdienst im Rahmen der allgemeinen Dienstpflicht bräuchte
dann vielleicht auch nicht mehr eineinhalbmal so lange wie der Militärdienst
zu dauern, wenn es dank der grösseren Auswahl auch sonst genügend
Personen gibt, welche Militärdienst leisten.
Bei der allgemeinen Dienstpflicht könnte der Bereich des zivilen
Ersatzdienstes ausgebaut werden. Er könnte auch den Zivil- und
Umweltschutz, sowie soziale Aufgaben bis hin zum Miliz-Engagement in
der Gemeinde beinhalten. Die Bereitschaft zur Übernahme
ehrenamtlicher Tätigkeiten wird immer geringer. Auf der anderen
Seite steigt aber auch das Bewusstsein dafür, dass es für den
Zusammenhalt unserer Gesellschaft wichtig wäre, gewisse Bürgerpflichten
zu übernehmen, so dass alle im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten
einen persönlichen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Diese
Kultivierung des Mitanpackens anstelle des nur Konsumierens ist
sicherlich auch förderlich für das Fortbestehen unserer direkten
Demokratie.
Als allgemeine Dienstpflicht anerkannt werden könnten z.B. auch die
Mithilfe im Bereich der Integration von Personen aus anderen
Kulturkreisen, die Mithilfe bei Projekten gegen die Vereinsamung älterer
Menschen, die Mithilfe bei Aktionen zum Schutz der Umwelt, die
Beteiligung an Einsätzen von Hilfsorganisationen u.v.a.m. Nicht in
Frage für die allgemeine Dienstpflicht kämen Einsätze, welche
Arbeitsstellen konkurrenzieren und gefährden oder Löhne drücken könnten.
Links:
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► Eidgenössische
Wahlen 2015: Befragung der Kandidierenden zum Thema
«Grundsätzlich gleiche Rechte UND Pflichten für Frauen und Männer»
►
Eidgenössische
Wahlen 2015: Befragung der Kandidierenden zum Thema
«Allgemeine Dienstpflicht für alle»
►
Beschränkung
der Wehrpflicht auf Männer aus rechtspolitischer Sicht: Kritischer
Kommentar der Juristin Sibilla Bondolfi zu einseitigen
Bundesgerichtsurteilen, 2012
►
Wehrpflicht
nur für Männer ist «unhaltbar», NZZ vom 15. März 2013
►
Jetzt
wird die Wehrpflicht für Frauen geprüft, Tages-Anzeiger vom 7.
Juli 2016
►
Bericht
der Studiengruppe Dienstpflichtsystem vom 15. März 2016
(Die Studiengruppe unter der Leitung von alt Nationalrat Arthur Loepfe wurde durch den Chef des
Eidg. Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS am 1. Mai 2014 eingesetzt, gestützt
auf einen Beschluss des Bundesrates vom 8. April 2014; die Studiengruppe umfasste Vertreter von Bundesstellen, kantonalen Regierungs-
und Fachkonferenzen, Verbänden und Organisationen.)
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TalkTäglich
(TeleZüri) zum Thema Wehrpflicht für Frauen vom 11. Juli 2016: Player
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